Angelas Tagebuch aus Paraguay

Unser Reisebericht, wie sich alles entwickelte


3. Eintrag

Mein Chaco-Tagebuch

Sonntag, 21. Oktober 2018



Paul ist heute in der Früh mit dem Auto (unserem gebrauchten VW Amarok) nach Asunción aufgebrochen, um am Montag unseren Container zu begrüßen. Nun haben wir 3 Wochen aus dem Koffer gelebt, hatten uns aus dem benachbarten Hotel einen kleinen Topf geborgt sowie 10 Glasteller und 2 Trinkgläser gekauft. Ein wenig Plastebesteck und das Buschmesser hatten wir im Koffer mitgenommen.
Unsere Ernährung hatte bisher einen hohen Rohkostanteil – mehrere Tage hintereinander zu 100 Prozent. Paul hätte nicht gedacht, dass ihm dies so gut gefällt und vor allem guttut. Den Topf benötigten wir vor allem zum Eierkochen – Paul braucht für seinen Fußknochen etwas mehr Cholesterin, gestern haben wir aber Blumenkohl und Kartoffeln gekocht. 1 – 2 Mal die Woche sind wir auswärts essen gewesen, wobei ich mich ohne Fleisch immer noch am wohlsten fühle, das sagen mir des Nachts meine Knochen.
Wir werden ausprobieren, wie wir hier am besten und gesündesten satt werden – am preiswertesten wird es werden, wenn wir Obst und Gemüse selbst ernten können, natürlich auch gesünder, da wir keine chemischen Spritzmittel verwenden wollen. Wenn nötig, dann benutzen wir Pflanzen als Schutz. So wächst am Haus der Niembaum, der für Menschen giftig ist, aus dem man jedoch ein wirksames Pflanzenschutzmittel herstellen kann, ähnlich dem Brennnessel-Sud  daheim . Auch werden wir die Pflanzen in Gruppen anbauen, die sich gegenseitig schützen und im Wuchs begünstigen. Paul weiß das alles schon, hat es ja auch in Afrika so praktiziert, aus mir wird wohl noch eine richtige Bäuerin..... eine kluge.....:) Und wenn wir erst die hiesigen Wildpflanzen alle kennen, dann mixen wir uns wieder unseren so liebgewonnenen grünen Smoothie.
Dank der Darmreinigung, die Jakob mit uns noch im August in Luckow durchgeführt hat, komme ich seit dem ohne Koffein aus und habe dabei keinerlei Kopfschmerzen. Daran habe ich beim Besuch der Baumschule in Filadelfia gedacht, als wir uns Pflanzen aussuchten und ich die Guarana-Pflanze entdeckte, deren koffeinhaltiges Pulver ich in den letzten Jahren als Kaffee-Ersatz verwendete.
Da sich Armindo (der Besitzer „unserer“ Farm) noch nicht geäußert hat, wie er sich unser Wohnen hier vorstellt, ob er uns z. B. die Farm verpachtet für eine längere Zeit, was es uns dann ermöglichen würde, auch mehr zu investieren, haben wir mit dem Gemüse- und Obstanbau noch nicht begonnen. Dennoch haben wir in den letzten 10 Tagen hier ca. 45 Bäume und Sträucher gepflanzt. Zuletzt gestern 25 Eukalyptus-Bäume, die sich nach dem starken Regen besonders gut pflanzen ließen. Wenn sie etwas gewachsen sind, bilden sie eine Allee auf unserer Zufahrt.
Beim Ausheben der Pflanzlöcher hat Paul zweimal einen „flüchtenden“ Waran gehört. Wir vermuten dies, weil wir zuvor auf dem Sandweg Spuren entdeckt hatten, die auf dieses kleine Kriechtier schließen ließen.
Auf unserer Hinfahrt zur Farm hatten wir ja den ersten stürmischen Regen erlebt, dieser vor 3 Tagen nun begann in der Nacht und hielt den ganzen Tag an, auch von starkem Sturm begleitet sowie von Donner und Blitzen. Wir hatten 80 mm Regen in weniger als 24 Stunden, in der Uckermark regnet es gewöhnlich 400 mm im Jahr. Der Donner war von einer Art, wie ich es aus Europa nicht kenne. Der grollende Donner „rollt“ immer weiter und weiter über den dunklen Himmel – einmal rund herum...... Aber ich fand Gewitter schon als Kind sehr gemütlich, hier sind dann auch der Wind und der Regen warm.
Während des Gewitters fiel der Strom für ein paar Stunden aus; das sind die Menschen hier schon gewohnt, vielleicht wird er auch aus Sicherheitsgründen abgeschaltet. Einige (Hotels und Landwirte, die Kühlung brauchen) haben hier einen dieselbetriebenen Generator für solch einen Fall. Der trockene Boden hat sich allerdings über den Regenguss gefreut und in den Senken steht das Wasser noch immer; dort haben sich sehr viele Frösche und Unken angesiedelt. Auch deren Töne und Gesang klingen so sehr anders, als wir es aus Deutschland kennen und es sind so viele verschiedene Melodien. Es ist überhaupt nicht störend und bettet sich ein in die Laute und Gesänge der vielen Vögel. So klingt also der Busch......
Ich bin nicht mit nach Asunción gefahren, weil unser Brutkasten betreut werden muss. In 3 Tagen ist es so weit, dann schlüpfen hoffentlich die Küken. Mittlerweile sind es nur noch 4 Eier von ursprünglich 26 eingelegten, die anderen mussten wir aussortieren, weil sie sich nicht genügend entwickelt haben. Drei Eier sind richtig gut, bei einem sind wir uns nicht sicher. Unter normalen Umständen entwickelt sich mehr als die Hälfte der eingelegten Eier gut, bei uns jedoch mussten sie einen langen Flug und viele Erschütterungen überstehen. Nun hoffen wir, dass wir mindestens 3 Küken bekommen, von denen 2 Hennen sind und eines ein Hahn, damit wir weiter brüten können oder die Hühner dann selbst. Was es letztendlich geworden ist, sehen wir erst nach einigen Monaten, nach 4 – 5 Monaten legen die Hennen die ersten Eier.
Heute ist der Strom für 20 Minuten ausgefallen, natürlich wissen wir immer nicht, wie lange das dauert. Also müssen wir für Ersatzwärme sorgen. So habe ich den Brutapparat draußen in die Sonne gestellt, dann wieder aus der Sonne heraus gestellt, weil es zu warm wurde. Das geht alles, irgendwann finden wir dann auch die Stelle, wo die Temperatur konstant richtig bleibt, vorausgesetzt, das Wetter ändert sich nicht. Jetzt in den letzten 3 Bruttagen ist nur das Problem, dass die Eier in Ruhe gelassen werden wollen, während sie in den bisherigen 18 Tagen dreimal am Tag gewendet und einmal für 10 Minuten gelüftet wurden. Nun benötigen sie also absolute Ruhe und liegen auch nicht mehr auf dem Rost mit den drehbaren Stäben, sondern auf dem tieferliegenden Gitter, damit die Küken bequem schlüpfen können. Beim Hin- und Hertragen des Brutkastens ist das darauf liegende Thermometer von den Eiern heruntergepurzelt auf das Gitter, so dass ich den Brutkasten öffnen musste.
Naja, auch die Hühner verhalten sich nicht immer alle gleich, wenn sie brüten, ich hoffe, das hat keine negativen Auswirkungen.
Beim letzten Stromausfall während des Regens haben wir die Backröhre des Gasherdes angezündet (der übrigens über 6 Kochfelder verfügt und mittels einer Gasflasche betrieben wird), 2 Besenstiele auf die Kochfelder und durch Zwischenräume eines Gartenstuhles gelegt und darauf dann den Brutkasten gestellt. Damit konnten wir einige Stunden gut überbrücken und die richtige Temperatur halten.
Wir haben in den vergangenen Tagen nun auch die linke Hälfte der Farm, die aus 7 Kamps  (abgegrenztes Gebiet zum Weiden der Rinder) besteht, „durchwandert“.  Die rechte Seite der 100-ha-Farm ist landschaftlich schöner, es stehen dort mehr Bäume und richtig schöne Pflanzen (von denen wir auch schon einige ums Haus gepflanzt haben) und am äußersten Rand befindet sich der angelegte See, zu dem viele Tiere des Nachts wandern, um ihren Durst zu löschen, wie überall auf der Welt es die Tiere tun.
Ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass die Aufteilung der Farm nicht ganz so glücklich gelungen ist. Dies hat sich nach dem Regen bestätigt – der in der Nähe des Hofes liegende  Kraal  steht völlig unter Wasser, dort ist der Boden natürlich von den Rindern auch festgetreten, weil sie hier mehrmals täglich hin marschieren und trinken.
Eigentlich müssten dort jedoch Pflanzen angebaut werden, die viel Wasser benötigen. Dort in die Nähe würden wir auch eine riesige Zisterne bauen wollen, um den Garten und das Feld bewässern zu können. Diese Zisterne könnte auch als Schwimmbecken dienen. Sie soll nicht völlig unterirdisch sein (wie meistens üblich), sondern mit 1 – 2 Metern aus dem Boden herausragen, darauf dann ein Dach, dessen Wasser auch hineingeleitet werden kann. Das spart Kosten und macht die Wartung einfacher. Ein Windrad würde das Wasser herauspumpen.
Hier in PY läuft alles mit Strom, auch bei den Privatleuten und im Moment in unserem Haus. Was aber, wenn der Strom einmal länger wegbleibt? Deshalb wollen wir alle Zisternen in Zukunft auch mit einem kleinen Windrad betreiben, welches das Wasser in einen höherliegenden Tank pumpt. Heizen werden wir das Wasser mit dicken schwarzen Schläuchen, die in Schlängellinien auf dem Dach unter einer Glasplatte liegen. Das Wasser ist jetzt schon so heiß, wenn es durch die von der Sonne erhitzten Rohre fließt, dass man sich daran verbrennen kann.  Es wäre töricht, dieses Potential nicht zu nutzen.
Das hätten wir uns in Luckow auch so gebaut, eine Darre zum Trocknen von Obst und Gebäck wäre dort noch dabei gewesen. Die brauchen wir hier allerdings nicht, auch kein Dörrgerät. Da hier häufig 42 Grad herrschen (die optimale und maximale Wärme für Rohkost), stelle ich die Sachen einfach in die Sonne, nahe an das Haus, dort wo keine Vögel hinkommen. So habe ich schon ein paar Mal Chia-Leinsaat-Sesam-Cracker hergestellt, einmal auch mit kleingeschnittenen Datteln, was sehr lecker ist.
Ehe wir jedoch all die Um- und Ausbauten beginnen, muss klar sein, wie lange wir auf der Farm bleiben können.
In Afrika werden ganze Kühltruhen mit Paraffin betrieben. Wir wollen uns umschauen, ob es hier auch solche Geräte gibt.
Manchmal lächeln die Nachbarn ein wenig, wenn wir über unsere Vorstellungen und Pläne berichten. Aber in den Weiten Afrikas wird vieles einfach so gehandhabt, da gibt es keinen Strom. Und für uns gehört dies alles zu einem autarken Leben dazu.
In der letzten Woche hatte Max Geburtstag - ich habe ihn auf seinem Handy über skype-to-phone angerufen, tags zuvor meine Eltern auf dem Festnetz. Es war schön, die vertrauten Stimmen zu hören und ein wenig zu plaudern. So nach und nach werden wir Euch alle einmal anrufen.
Festnetz kostet pro Gespräch nur Ortstarif, also  30 Cent, das Handygespräch kostet einen Euro. Gerade habe ich mein Guthaben überprüft und es hat sich irgendwie vermehrt, demnach kostet ein Handygespräch nur 50 Cent.
Wolfram hat mir einen Hinweis geschickt, wie man preiswert, also für 4,9 Cent/Minute, von Deutschland nach Paraguay telefonieren kann. Ich habe einmal den link herausgesucht, dort ist alles gut beschrieben.
https://www.mytello.com/de/

Nun komme ich noch einmal zur Mentalität der hier lebenden Menschen zurück. Wenn wir in den Supermarkt in Filadelfia oder Loma Plata gehen, dann kommen wir meistens erst nach 2 Stunden wieder heraus. Und nicht, weil es dort so wunderbar kühl ist, sondern weil wir häufig gute Gespräche mit Menschen zwischen den Regalen haben, die sich meistens daraus ergeben, dass Paul und ich uns gegenseitig nach einem Produkt fragen, wenn wir es vor einem großen Regal nicht finden können, und sofort ein freundlicher Mensch uns weiterhilft, mit dem wir dann ins Plaudern kommen. Wir haben den Eindruck, dass die Leute hier politisch sehr wach sind, auch haben die Mennoniten nicht alle die gleiche Meinung, wie landläufig gedacht wird; es gibt schon teilweise starke Unterschiede, besonders zwischen den Generationen. Die Älteren sprechen oft auch kein Deutsch (mehr), die Jüngeren sind im Leben stehende Leute, wie es sie auch in Deutschland gibt, sie haben nur alle einen Glauben an Gott – aber auch dieser ist nicht uniform und wird unterschiedlich gelebt. Vor allem sind die Menschen hier mit einer auffallenden Ruhe und Gelassenheit unterwegs.
Die Supermärkte in den Dörfern ähneln eher denen von Plus oder Norma, die in den Städten sind so groß wie Marktkauf oder Kaufland, aber wesentlich gemütlicher, geräumiger und sauberer.
Wir waren bei unserem letzten Besuch in Filadelfia in der Ferreteria, einem Baumarkt mit vielen Angestellten. Die Landmaschinen, die wir in Deutschland gekauft und mitgenommen haben (die jetzt noch im Container sind), gibt es hier nicht in derselben Qualität und zu dem Preis. Aber viele andere Sachen gibt es und zu vernünftigen Preisen, wir haben sogar richtige „alte“ Glühbirnen von Osram mit 60 W und 100 W gekauft, die in Deutschland nicht mehr erhältlich sind. Es gibt auch LED- und Energiesparlampen mit warmem und kaltem Licht, wir haben hier im Haus aber alle Leuchten ausgetauscht, da es vor allem Energiesparlampen waren, die giftiges Quecksilber ausstrahlen beim Brennen, hauptsächlich jedoch fürchten wir die Folgen, wenn sie einmal kaputt gehen sollten.
Da wir eine kaputte Zisterne mit Teichfolie reparieren wollen und uns der Zuschnitt durch eine Firma zu teuer ist (dafür bekommen wir Teichfolie für 3 – 4 Zisternen in derselben Größe), macht Paul dies selbst. Dafür benötigen wir ein Folienschweißgerät und ein solches haben wir in der Eisenwarenhandlung gekauft.
Inzwischen ist Paul auch schon in Asunción im Hotel Westfalenhaus angekommen. Ich schreibe das nächste Mal über seine Erlebnisse beim Zoll am Montag, die laut der Aussagen unserer Nachbarn ganz unterschiedlich, aber sehr abenteuerlich sein können. Wir hoffen, dass Paul nicht den gesamten Container aus- und wieder einräumen muss, und dass wir, wie bisher, das nötige Quäntchen Glück auf unserer Seite haben.