Angelas Tagebuch aus Paraguay

Unser Reisebericht, wie sich alles entwickelte


8. Eintrag

Mein Chaco-Tagebuch

Mittwoch, 12. Dezember 2018



Einige Leser drängeln schon, weil seit dem letzten Tagebucheintrag eine Weile vergangen ist. Nun – wir sind momentan neben den ganz normalen häuslichen Tätigkeiten den ganzen Tag mit Garten- und Feldarbeit beschäftigt, wobei der Fotoapparat fast immer dabei ist. Unser Ziel ist es nach wie vor, hier völlig autark zu leben, was jedoch noch eine Menge Arbeit und Investitionen bedeutet.
Unser Tag beginnt meistens 6.00 Uhr, manchmal auch schon früher. Denn bevor die Sonne richtig knallt, müssen die jungen Pflänzlein gewässert werden. Es sind schon jetzt sehr viele und es kommen täglich neue dazu – so dauert die Bewässerung bis zu 4 Stunden. Wir können hier nicht einfach einen Bewässerungsstab in die Beete oder Felder stellen, da der Wasserdruck aus dem Tank dafür nicht ausreicht. So haben wir eine ganz besonders enge Beziehung zu unseren Pflanzen und können täglich sehen, ob es ihnen gutgeht oder ob wir etwas verändern müssen. Und ich lerne so auch die Pflanzen und ihre Gewohnheiten besser kennen.
Gegen 9.00 Uhr gibt es ein ausgiebiges und leckeres Obst- und Gemüsefrühstück, nach dem Mittagessen legen wir eine kleine Ruhephase ein, weil dann die Sonne am höchsten steht. Jedoch gelingt uns dies nicht immer und wir arbeiten gelegentlich auch mal in der größten Hitze. Feierabend machen wir, wenn es dunkel wird, das ist zurzeit zwischen 19.30 Uhr und 20.00 Uhr.
Am Abend sind wir dann manchmal draußen, um dem Busch zu lauschen und die Sterne zu beobachten, manchmal schauen wir auch einfach nur einen Film. Wenn ich müde von der Arbeit bin, habe ich oft auch keine Lust mehr zu schreiben und sinke einfach nur in die Federn.
Da wir hier sehr viel mehr Wasser trinken als zuhause, sind wir jetzt dazu übergegangen, das Regenwasser mittels der Sonne zu sterilisieren. Dazu stellen wir die lichtdurchlässigen Behälter einen Tag in die pralle Sonne und füllen das Wasser dann in unsere schönen Glasballons in der Küche. Bisher haben wir stilles Wasser gekauft. Aber so ist es bequemer und preiswerter. Wir vertragen das Wasser ausgezeichnet und es schmeckt richtig lecker. Unser Vorhaben, in Neuland Tonkrüge mit Filtern zu kaufen, hat sich somit erledigt.
Heute haben wir nun endlich am Hotel den Obst- und Gemüsewagen abgepasst und gut und viel eingekauft. Wir fahren zwar gerne in eine der Städte, um Leute zu treffen oder etwas zu unternehmen. Aber nur, um Lebensmittel einzukaufen, macht einfach keinen richtigen Sinn. Außerdem kostet es sehr viel Zeit. Denn dabei geht immer ein ganzer Tag drauf. Der Gemüsehändler  hat uns zugesagt, in Zukunft auch wieder wöchentlich zu uns auf die Farm zu kommen.

Vorgestern in der Früh war Barbara mit ihren Töchtern hier, um zwei ihrer Rinder aufzuladen. Dazu trieben sie alle 27 Kühe in den Kral.
Wenn wir nicht auf sie zugehen oder zufällig ihren Weg kreuzen, dann sagen sie nicht „Hallo“. Das finden wir ein wenig komisch – da kommt jemand auf dein Grundstück und macht sich gar nicht bemerkbar. Wir hören sie jedoch, wenn sie mit ihrem Auto vorfahren.
Deshalb erzähle ich die Geschichte aber nicht. Die Frauen haben vergessen, für die Rinder das Tor zur Tränke wieder zu öffnen oder dieses Tor mit dem Seil zu befestigen, weil momentan ein starker Wind weht, was wir zunächst überhaupt nicht mitbekommen hatten. Und so haben wir uns den ganzen Tag lang gefreut, dass die neugierigen Kühe immer dort am Zaun standen, wo auch wir gerade arbeiteten. Gegen Abend hat ein Ochse laut und aufgeregt gebrüllt, er hörte gar nicht mehr auf. Da hatte Paul die richtige Vermutung, dass die Viecher bei der Hitze nichts zu saufen hätten und hat die Tore kontrolliert. Und genauso war es – die Rinder waren 32 Stunden ohne Wasser. Da die Frauen nicht täglich, manchmal auch nicht wöchentlich nach ihren Tieren schauen, hätte dies für die Kühe schlimm ausgehen können. Ich darf gar nicht darüber nachdenken und wundere mich nur, wie manche Leute mit ihren Tieren umgehen.
Nun zu einem anderen Ereignis, welches sich jedes Jahr ein Leben lang wiederholt, manchmal aber anders.
Zum ersten Mal in meinem Leben fand mein Geburtstag mitten im Sommer statt. Einst in Luckow habe ich danach gesonnen, wie ich ihn auch im Garten feiern könnte, was ja in Deutschland im November schlecht möglich ist. Ich schaute seinerzeit, ob ich dann nicht wenigstens meinen Namenstag im Freien feiern könnte. Aber nein, der lag im Januar, was ich bald noch unattraktiver fand als den November.
Hier in Paraguay ist der November neben dem herbstlichen Mai der schönste Monat des Jahres. Es ist sehr warm und es findet die kleine Regenzeit statt, während im Dezember und Januar die große Regenzeit kommt. Zumindest ist dies die Hoffnung aller Menschen hier, denn Regen hat eine ganz andere Bedeutung im Chaco.
Wir waren abends im Hotel, um etwas zu essen und zu trinken, nicht wissend, dass eine andere deutsche Frau mit allen Rosaledanern ihren 84. Geburtstag feiert. Sie wohnt ca. 40 Kilometer hinter Rosaleda und kommt wegen der sozialen Kontakte ab und zu hierher. Sie ist Heilpraktikerin und  strahlt eine ungemeine Weisheit und Gelassenheit aus und wirkt so viel jünger. So waren also fast alle Dorfbewohner im Hotel versammelt und wir konnten auch wieder einige neu kennenlernen.
So gibt es hier einen deutschen Professor auf verschiedenen Gebieten, vor allem der Physik, der auch als Heilpraktiker tätig ist und hier mit seiner erwachsenen Tochter lebt. Die beiden produzieren gerade kolloidales Silber und wollen dies dann vermarkten. Dabei erleben sie die tollsten Geschichten beim Besorgen von Alkohol in größeren Mengen oder bei der Anschaffung kleiner brauner Fläschchen. Wenn hier etwas nicht funktioniert, dann gibt es ja immer noch die Option, sich die Sachen aus Europa schicken zu lassen.
Auch an diesem Abend haben wir wieder interessante Gespräche, vor allem über die politische Situation in Europa und die Geschichte mit ihren Verfälschungen geführt . Und manchmal scheint es, als hätten die Leute dieselben Bücher gelesen und Filme geschaut wie wir. Jedenfalls ein rundum angenehmer Abend.
Von Fritz und seiner Frau erhielten wir eine Einladung, wir besuchten sie zwei Tage später. Die beiden sind vor knapp 25 Jahren aus der Schweiz nach Rosaleda gekommen.
Am darauffolgenden Mittwoch hat es den ganzen Tag geregnet, bei uns ca. 90 cm2, bei Fritz waren es sogar 100. Teilweise war der Regen wieder von heftigen Stürmen und Gewittern begleitet. Ich genieße dieses Naturereignis, besonders weil es warm ist, ich finde es sehr anheimelnd und gemütlich. Der Regen reinigt alles, spendet Kraft und Energie, danach fängt alles wieder neu an – die  Pflanzen bilden neue Triebe und haben einen Wachstumsschub, überall sprießt das Gras, die Luft ist rein und frisch und angenehm kühl – ein Segen auch für uns Menschen...
Dieser lange Regen sollte später nicht ohne Folge für uns bleiben. Da unsere Lebensmittelvorräte zur Neige gingen, sind wir am Freitag, den 30. 11., nach Mariscal zum Einkaufen gefahren. Zwei Tage zum Abtrocknen der lehmigen Sandstraßen sind nicht wirklich viel, aber wenn man vorsichtig fährt, geht es. Als wir uns auf den Weg machten, war es trocken. In der Ferne sahen wir dunkle Wolken und wir sollten uns  sputen, auf dass wir vor dem Regen wieder zu Hause sind. Aber es verhielt sich anders. Es hatte unterwegs bereits geregnet und die Wolken zogen gerade wieder ab. Wir fuhren sozusagen auf der frisch beregneten Straße und es sollte nun richtig abenteuerlich werden. Beim Losfahren haben wir noch Witze gemacht, dass wir unsere Wasserflaschen vergessen hätten, dass wohl nichts passieren würde und wir in einer Stunde wieder zuhause wären.
Wir fuhren sehr langsam und auf dem Zenit der Straße. Zu den Seiten hin ist sie jeweils leicht abfallend, ehe sich dann am Rand oft ein Grünstreifen mit viel Wasser anschließt. Manchmal fehlt der Grünstreifen und es ist dort ein Graben.
In der Ferne sahen wir, dass uns ein Auto entgegen kam. Jeder muss nun seine Fahrspur auf dem Zenit ein wenig an die Seite verlagern, damit beide gut aneinander vorbei kommen. Wir haben  irgendwann angehalten, weil der andere Wagen hin- und her schlitterte, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern. Seine Amplituden wurden immer größer und wir befürchteten, dass er uns berühren könnte. Deshalb fuhr Paul noch weiter nach rechts, aber der Untergrund war wie Schmierseife und wir rutschten gaaanz langsam auf den rechten grünen Streifen. Dort kamen wir trotz Allrad und anderer Raffinessen mit eigener Kraft nicht mehr heraus. Ein Manko dieses Wagens ist gerade in solchen Situationen, dass er Heckantrieb hat. Da es unterwegs auch keinen Handyempfang gibt, mussten wir warten, bis jemand vorbei kommt. Dann ist es gut, ein wenig Wasser dabei zu haben, weil es sehr lange dauern kann. Zum Glück mussten wir jedoch nur eine Minute warten.
Es waren Paraguayer aus Loma Plata, auf deren Auto ich das Wort „Service“ las. Ich dachte in dem Moment wirklich, die schickt der Himmel.
Wir holten unser Elefantenseil aus dem Auto und der Wagen zog uns wieder auf die Mittelspur. Das dauerte nur 2 Minuten. Jetzt überlegten wir, ob wir lieber umkehren sollten. Aber dies war auf  der rutschigen  Straße einfach nicht möglich. Also fuhren wir noch 15 Minuten langsam weiter bis Mariscal und erledigten dort unseren Einkauf. Im Supermarkt trafen wir Nachbarn aus Rosaleda, die lange in Bolivien lebten. Sie gaben uns den Tipp, noch ein wenig Luft aus den Reifen zu lassen. Das hat auch gut funktioniert. Wenngleich die Rückfahrt schon deshalb sehr entspannt war, weil die Sonne den Lehm bereits etwas getrocknet hatte. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Das bestätigte uns, dass wir vorhin wirklich nur Minuten nach dem Regen unterwegs waren. Aber das ist hier wirklich jedem schon mal passiert.....